Drehteile mit Oberfläche < Ra 0.2

Die Anforderung gemäss der Drehteile-Zeichnung ist klar. Der gewünschte Zylinder am Drehteil mit ø20-h6 soll eine Oberflächenrauheit von Ra0.2 aufweisen und beim Kunden direkt in die Montage geliefert werden. Wir entscheiden uns, die Drehteile ab Stange zur drehen, den Zylinder schleifen und mit einem festen Diamanten glattwalzen. Soweit so gut...

Was am Anfang so einfach tönt erweist sich später als Knacknuss.

Alles gut

Die geforderten Zeichnungstoleranzen der Drehteile können mit dem Schleifen und anschliessenden Glattwalzen (auch Glätten oder Rollieren genannt) sogar übertroffen werden. Die Messung auf dem Konturenmessgerät ergibt Oberflächenwerte zwischen Ra 0.1 bis Ra 0.15. Wir entscheiden uns für das Glätten mit einem Diamanten, da die zu bearbeitende Oberfläche gehärtet ist und uns vom Glätten mit abwälzenden Rollen daher abgeraten wird. Guten Mutes schicken wir die ersten Prototypen zum Kunden zur Bemusterung und Freigabe, zusammen mit dem Erstmusterprüfbericht. Auch unser Kunde ist von den gemessenen Werten begeistert und verbaut die erste Welle für den Feldtest. Dazu ist nun zu erwähnen, dass dieses Präzisionsdrehteil eine Führungswelle ist, welche in einem Kugelkäfig läuft und durch einen Messingring über eine Einstellschraube arretiert werden kann.

Die Überraschung beim Feldtest

Durch das Bewegen des Gerätes, welches auf dieser Führungswelle sitzt, ertönt plötzlich ein gut hörbarer summender Ton, welcher durch das Gehäuse als Resonanzkörper verstärkt wird. Rasch ist klar, mit dieser Führungswelle stimmt etwas nicht. Sie wird ausgebaut und eine neue Welle wird eingebaut. Genau mit dem selben Ergebnis. So geht es mit fünf weiteren Versuchen, immer mit dem selben Resultat.

Kunde und Lieferant suchen gemeinsam nach Lösungen

Wie bereits oben erwähnt, die Drehteile erfüllen alle Anforderungen nach der Kundenzeichnung. Was nun? Durch genaues Beobachten und verschiedenen Einstellungen am montierten Gerät finden wir bei einem gemeinsamen Meeting beim Kunden heraus, dass der Messingring, welcher als Bremse dient, auf der Oberfläche der Welle Schwingungen aufnimmt und an das Gehäuse abgibt.

Beim Vergleich mit ähnlich hergestellten Wellen, welche masslich und vom Ra-Wert vergleichbar sind, ist dieser summende Ton kaum hörbar. Wir stehen vor einem Rätsel, klar ist nur, dass Ra0.2 scheinbar nicht immer gleich Ra0.2 ist.

Zurück in unserer Produktion

Interne Vergleichsmessungen der Drehteile auf dem Konturenmessgerät zeigen, dass beim Rollieren mit hydrostatischer Diamantkugel die grössten Ausschläge nach Oben zeigen und bei den andern Teilen, welche nur einen sehr geringen Summton erzeugen, nach unten. Das ist für uns der ausschlagende Punkt, Alternativen beim Glattwalzverfahren und Polieren zu testen. Anschliessend luden wir verschiedene Werkzeuglieferanten zu diesen Verfahren in unsere Produktion für Versuche ein.

Versuchsreihen

Beim Polieren mit vom Hersteller empfohlenen Polierscheiben erreichen wir anschliessend zum Glattwalzen zwar eine leichte Verbesserung, ist aber noch ungenügend und das Polieren scheidet aus. Wir kommen wieder zurück zum Rollieren. Wir fragen bei renommierten Lieferanten nach, ob trotz der Härte vom Drehteil mitlaufende Rollen eingesetzt werden können. Demgegenüber stehen alle Anbieter kritisch, offiziell werden diese Glattwalzwerkzeuge nur bis zu einer Härte von 45 HRC empfohlen. Wir testen es trotzdem, auf eigene Verantwortung. Das Ergebnis überrascht und bestätigt unsere Vermutung, dass die Oberflächenrauheit zwar gleich bleibt, aber die Ausschläge nicht mehr nach Oben zeigen. Auch die ''Klangprobe'' bestätigt unsere Theorie.

Fazit

Neuteile für die Offerte rechnen ist Theorie, diese anschliessend in die Praxis umzusetzen oft herausfordernd. Vermehrt kommen vom Kunden zusätzlich zu den Zeichnungsvorgaben weitere Anforderungen dazu, welche auf der technischen Zeichnung schwierig abzubilden sind. So zum Beispiel die Anforderung an eine Oberfläche mit Klangprobe. Um diese Herausforderungen zu lösen ist eine enge Beziehung zwischen dem Kunden und Lieferanten die Basis zum Erfolg. Gemeinsam sind wir viel besser und erfolgreicher, mit der moser-ingold ag, Ihrem Kompetenzzentrum für einbaufertige Präzisionsdrehteile.

Ihr Autor

Arton Jasiqi
Abteilungsleiter Mechanik Tel. 062 956 20 26 betrieb@moser-ingold.ch

Glattwalzen oder Rollieren?

Mit beidem wird der selbe Prozess beschrieben

Beim Glattwalzen oder Rollieren, meistens ist mit beiden Begriffen das selbe gemeint, wird die Oberflächenstruktur einer mechanisch bearbeiteten Oberfläche verändert. Durch den Druck zwischen Rolle/Diamant und Werkstück beginnt das Material örtlich zu fliessen und eingeebnet. Drehrillen werden flacher und die Oberflächenrauheit verringert sich deutlich. Oberflächen <Ra0.1 können erreicht werden und die Verschleissfestigkeit der Drehteileoberflächen erhöht sich.

Glattwalzen mit Rollen

Für Härten unter 45 HRC

Bei Glattwalzen mit mitlaufenden Rollen wälzt sich eine oder mehrere mitlaufende Rollen mit einem definierten Druck auf der zu bearbeitenden Oberfläche ab. Unter dem Druck beginnt das Material zu fliessen, die Erhöhungen senken sich und die Täler erhöhen sich dabei. Die Oberflächenrauheit wird verringert.

Glattwalzen mit festem Diamant

Speziell für harte Oberflächen

Grundsätzlich dient dieses Glattwalzen dem selben Ziel wie mit mitlaufenden Rollen. Der grosse Unterschied ist, dass ein fester Diamant in Kugelform über die Oberfläche gedrückt wird. Dieses Verfahren eignet sich auch bei Drehteileoberflächen mit einer Härte über 45 HRC. Über die stufenlos einstellbare Federkraft werden Toleranzen ausgeglichen und eine einheitliche feine Oberfläche wird erreicht.